Unser Nachbarland Österreich  hat den jüngsten Kanzler aller Zeiten. Sebastian Kurz ist zugleich Vorsitzender der Politischen Akademie der Österreichischen Volkspartei, also dem Pendant zur deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, die wiederum die CDU berät. Einer der Berater des jungen und feschen Kanzlers heißt Christian Moser-Sollmann. Er ist bei der Politischen Akademie zuständig für den Bereich „Think Tank“  https://politische-akademie.at/de/akademie/team. Und er hat mit „Tito, die Piaffe und das Einhorn“ nun seinen ersten Roman vorgelegt.

 

Von Ansgar Lange

 

Wer als Deutscher etwas über Bier, Wien, die Verhältnisse in Österreich, die Liebe und das harte Geschäft der Politikberatung erfahren möchte, der sollte zu diesem Buch greifen. Angesichts des beruflichen Hintergrundes von Moser-Sollmann wundert es einen, dass er ohne Schere im Kopf schreibt und Kritik am Politikbetrieb nicht nur zwischen den Zeilen formuliert.

Biertrinkender Politikberater

Der 1972 geborene Autor schöpft aus dem Vollen. Er hat als Journalist und PR-Texter gearbeitet und anspruchsvolle politisch-philosophische Sammelbände herausgegeben. Seit 2009 amtet er als Geschäftsführer des Friedrich Funder Instituts, das Journalisten und Medienarbeiter ausbildet. Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass bei der Charakterisierung des Protagonisten Tito, eines biertrinkenden Politikberaters, der gern in der Kneipe „Einhorn“ einkehrt, etliche Erfahrungen aus Moser-Sollmanns beruflicher Laufbahn eingeflossen sind. Ob die Liebesgeschichte zu Ulrike, der zweiten Protagonistin, ebenfalls autobiographische Züge trägt, vermag der Rezensent selbstverständlich nicht zu beurteilen.

Zu Beginn des Romans ist Tito ein zynischer, überarbeiteter Politikberater in den Medienmetropole Wien, der mit anderen leicht traurigen Gestalten freitagsabends gern drei oder vier Biere im Einhorn zu sich nimmt. Klar, ein paar Liebschaften gab es schon in Titos Leben. Er ist kein Kostverächter. Aber im Großen und Ganzen führt er anfangs eine Art geistige Frührentnerexistenz („Ich verfüge über den Aktionsradius eines 85-jährigen Pensionisten“) ohne viel Mumm und Leidenschaft für Neues.

Ein paar Prisen Sex

Als er die zarte, aber charakterlich nicht  ganz einfache Ulrike kennenlernt, ändert sich das. Moser-Sollmann erzählt sehr schön, welche Gefühlsschwankungen mit einer neuen Liebe verbunden sind. Da gibt es die Idealisierung der Angebeteten, sehr lustige Geschichten über das Besuchen von Einrichtungshäusern vor dem Bezug der gemeinsamen Wohnung, das ganze Jammertal von Streit und Versöhnung, auch ein paar Prisen Sex und nicht wenig Herzeleid. Der Werdegang der jungen Liebe sei nicht verraten. Besonders gut trifft der Autor auch den Hang mancher Männer, sich bis zur Selbstverleugnung zu verrenken, nur um die Geliebte zu halten.

Generell sieht Tito seinen Job als Politikberater als schnöde Erwerbsarbeit an, da ja von irgendwas die Miete gezahlt werden muss. Doch das Erstellen von Fachdossiers für Minister und das Verfassen von Ghostwritings liebt er, weil er so in multiple Identitäten schlüpfen kann: „Einmal geben ich den sozial engagierten Volksnahen, dann den harten Sanierer, dann den einfühlsamen Recht-und-Ordnung-Vertreter. Ich bin beim Verfassen dieser Texte definitiv ein anderer.“

Ob  die Liebe schließlich die Politik verdrängt, sei hier nicht verraten, nur so viel: Der Rezensent dieses Buches würde das Schicksal Titos sehr gerne in einem weiteren Band verfolgen.

Christian Moser-Sollmann: Tito, die Piaffe und das Einhorn. Dachbuch Verlag: Wien 2017. ISBN 978-3-9504426-2-5. 288 Seiten. 19,99 Euro.

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