Langes Lektüren - Von Adenauer und Merkel. Lebenserinnerungen eines kritischen Zeitzeugen.

Seine Bücher über Ernst Jünger, Konrad Adenauer, Axel Springer und Helmut Kohl sind nicht nur wissenschaftliche Standardwerke, sondern auch reiner Lesegenuss. Langweilen wollte und konnte der deutsche Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz, bei dem der Rezensent 1998 seinen Magister in Politischer Wissenschaft gemacht hat, nie.

Hans-Peter Schwarz: Politischer Professor und Publizist

Seine Bücher über Ernst Jünger, Konrad Adenauer, Axel Springer und Helmut Kohl sind nicht nur wissenschaftliche Standardwerke, sondern auch reiner Lesegenuss. Langweilen wollte und konnte der deutsche Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz, bei dem der Rezensent 1998 seinen Magister in Politischer Wissenschaft gemacht hat, nie. Seine jetzt erschienenen Erinnerungen tragen den Titel „Von Adenauer zu Merkel“. In seinem Geleitwort stellt der Herausgeber Hanns Jürgen Küsters fest, dass kein anderer Hochschullehrer die Geschichtsschreibung der Bundesrepublik Deutschland so geprägt habe wie Schwarz. Selbst linke Kritiker des Liberal-Konservativen dürften dies kaum bestreiten. Schwarz ist plötzlich und unerwartet im Sommer 2017 verstorben. Bis zum Lebensende war er auf eine geradezu erschreckende Art und Weise produktiv. Schreibkrisen und seelischer Erschütterungen scheint er nicht gekannt zu haben. 15- bis 16-Stunden-Tage waren die Regel, auch am Wochenende.

Keine Selbstbespiegelung und keine Selbstzweifel

„Selbstbespiegelung à la Jean-Jacques Rosseau ist nie mein Ding gewesen“ schreibt Schwarz zu Beginn. In der Tat: Voyeure, die darauf hoffen, innere Dramen ausgebreitet zu sehen, werden enttäuscht sein. Für den in Lörrach geborenen Autor war das christlich-protestantische Milieu, in dem er aufwuchs, prägend. Während er mit seinem Vater noch am Evangelischen Kirchentag in Stuttgart im Jahr 1950 teilnahm, hegte er später große Vorbehalte gegen solche Massenveranstaltungen. Die Evangelischen Kirchentage seien immer mehr zu Instrumenten verkommen, „die sich hervorragend zur Massenmanipulation und zur mentalen Programmierung junger Leute eignen“. Schwarz denkt hier insbesondere an die pazifistischen und ökologischen Botschaften, die dort gleichsam von der Kanzel herab verkündet wurden.

Private Vorliebe für Thriller

Bereits mit 23 Jahren wurde er über das Werk Ernst Jüngers promoviert. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte der Bundesrepublik, die gewichtige zweibändige Adenauer-Biographie und zahlreiche Zeitungs- und Zeitschriftenartikel folgten. Noch im „Ruhestand“ hat er dicke Wälzer über Axel Springer und Helmut Kohl vorgelegt. Zwischendurch, wie zur Entspannung, erschienen flott geschriebene Streitschriften wie „Die gezähmten Deutschen. Von der Machtversessenheit zur Machtvergessenheit“. Das Gesicht des 20. Jahrhunderts hat Schwarz anhand der prägenden Personen gezeichnet, die er „Monster, Retter und Mediokritäten“ nannte. Mit dem Schmöker „Phantastische Wirklichkeit“ hat er seiner jahrzehntelangen Vorliebe für politische Thriller Ausdruck verliehen. Anders als manche Literaturwissenschaftler war er sich nicht zu fein zur Lektüre dieser Krimis. Und er stellte heraus, dass sich auch in den Werken von Eric Ambler, Frederick Forsyth, Robert Ludlum, Graham Greene, Clive Cussler und anderen das 20. Jahrhundert spiegelte.

Hans-Peter Schwarz: Von Adenauer zu Merkel. Lebenserinnerungen eines kritischen Zeitzeugen. Deutsche Verlags-Anstalt: München 2018. ISBN: 978-3-421-04838-7. 50 Euro.

 

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