Langes Lektüren - Ulrich Wickert über den deutschen „Betroffenheitsjournalismus“

Zurzeit ist viel von der Krise der Medien die Rede. Auch das böse Wort von der „Lügenpresse“ fällt immer mal wieder. Dabei verfügt Deutschland im internationalen Vergleich über ein hohes Niveau der gedruckten Presse, des Rundfunks und des Fernsehens. „Aus Erfahrung kann ich sagen, das Fernsehen in den USA oder die Zeitungslandschaft in Großbritannien oder Frankreich lässt sich im Großen und Ganzen nicht mit der Qualität der besten deutschen Medien messen“, schreibt der Journalist Ulrich Wickert in seinem schmalen Büchlein „Medien: Macht & Verantwortung“

http://www.hoffmann-und-campe.de/buch-info/medien-macht-verantwortung-buch-8052/.

Eine staatliche Zensur finde in Deutschland nicht statt, wohl aber eine politisch motivierte Personalpolitik – vor allem im Fernsehen. Und aus Machtdenken ändern Ministerpräsidenten immer wieder die Rundfunkgesetze, so im Jahr 2016 die rot-grüne Landesregierung in NRW, so Wickert. Aus kommerziellen Gründen laute das Motto der Medien heute leider häufig „Apokalypse statt Aufklärung“. Zu viel Unwichtiges erschlage zuweilen das Wichtige.

Manchmal schweigen die Medien auch zu lange oder verschweigen etwas. Oft geschehe dies in hehrer Absicht. Man wolle den Rechtspopulisten nicht in die Hände spielen, lautet eine häufig gehörte Entschuldigung. Wickert dazu lapidar: „Ein Gauner muss ein Gauner genannt werden“.

Mehr Sachlichkeit und weniger vermeintlich gute Gesinnung würden der Presse gut tun. Der kritische Journalismus, so der Autor, weicht zunehmend dem Betroffenheitsjournalismus. Wickerts Schrift fördert keine sensationellen Erkenntnisse zutage. Ohne sie wäre man nicht unbedingt dümmer. Allerdings liefert der Journalist, der heutzutage vor allem auch als Krimiautor tätig ist, ein paar leicht zu lesende Einsichten über den deutschen Journalismus der Gegenwart. Er ist nicht so schlecht, wie die Verbreiter von Hassbotschaften im Internet glauben machen wollen. Aber er muss um seine Zukunft kämpfen. Vielleicht wird man in 20 oder 30 Jahren voller Neid auf unsere heutige vielfältige Presselandschaft blicken. Denn es steht zu befürchten, dass insbesondere zahlreiche Tageszeitungen nicht überleben werden.

Ulrich Wickert: Medien: Macht & Verantwortung. Hoffmann und Campe Verlag: Hamburg 2016.

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