Olaf Sundermeyer versucht sich an einer Biographie von Alexander Gauland

Von Ansgar Lange

 

Olaf Sundermeyers biographischer Essay über den Publizisten und Politiker Alexander Gauland hat zahlreiche Schwächen, lohnt aber die Lektüre.

Der Werdegang des in Chemnitz geborenen Beamtensohns wird nicht chronologisch erzählt. Der Autor springt hin und her, was manchmal die Übersicht erschwert. Auch die Gewichtung der einzelnen Lebensabschnitte ist recht willkürlich geraten. Wahrscheinlich aufgrund der Kürze des Buches fallen bestimmte Lebensabschnitte fast völlig durch den Rost. Auch die Themen und Inhalte seiner Bücher und Zeitungsartikel werden kaum beleuchtet. Dabei war es Gauland über Jahrzehnte gelungen, in linken und rechten Medien und denen der politischen Mitte zu publizieren

Befremdlich erscheinen die Spekulationen über Gaulands Gesundheitszustand. Da ist die Rede von schweren Depressionen, reichlichem Alkoholgenuss und Herzproblemen. Manches erscheint hier einfach indiskret, und ob man aus Gaulands eventuell vorhandener Krankheit (Depression) Rückschlüsse auf sein politisches Handeln ableiten kann, sei dahingestellt. Letztlich lässt sich so etwas nicht beweisen.

Längst kein Konservativer mehr

Der Autor macht Gauland der Vorwurf, dass er verantwortlich sei für das Erstarken rechtsextremer Strömungen im Land. Dabei war und ist der Porträtierte selbst kein Rechtsextremist. Über lange Jahre seines Lebens war er ein Konservativer mit CDU-Parteibuch. In Frankfurt und Wiesbaden war er sowohl in der Kommunal- und in der Landespolitik aktiv – zumeist in der zweiten Reihe, als Berater, Kulturpolitiker und Redenschreiber. Gauland ist unzweifelhaft ein Intellektueller.

Sundermeyer schreibt, Gauland sei unnahbar, nur wenige Dinge überhaupt berührten ihn. Doch auf der anderen Seite erklärt er den radikalen Bruch in Gaulands Leben mit einer narzisstischen Störung. Er habe auch einmal in der ersten Reihe stehen wollen und sei frustriert gewesen, dass sein Rat in der CDU nicht mehr gefragt gewesen sei. Dies mag alles so sein, doch beweisen lässt es sich nicht.

Letztlich stehen wir vor einem Rätsel. Gauland war lange Zeit fester Bestandteil des westdeutschen Establishments und des Frankfurter Bürgertums. Seine Vorliebe für britische Nobelfahrzeuge (Jaguar), Tweed-Sakkos und Cordhosen unterscheidet ihn sehr deutlich von den Vorlieben mancher eher finsterer Gestalten, die Sigmar Gabriel einst als „Pöbel“ tituliert hat.

Gauland spaltet das Land. Von seinen Anhängern wird er verehrt. Er dient als Leit- und Integrationsfigur. Von seinen Gegnern wird er gehasst und lächerlich gemacht.

Gauland spricht und handelt verantwortungslos. Er ist längst kein Konservativer mehr, hat fast alle Brücken hinter sich abgebrochen und paktiert mit Menschen, die definitiv das herrschende „System“ abschaffen wollen. Für welche positiven Inhalte, für welche Zukunftsvisionen steht er? Hier fallen einem wenige Dinge ein. Dieser spielerische und verantwortungslose Umgang mit der Geschichte dieses Landes, den hier lebenden Menschen und dem Land insgesamt unterscheidet ihn fundamental von den oft gescholtenen „grauen“ Berufspolitikern von CDU/CSU, FDP und SPD, die dieses Land aufgebaut haben. Ein Franz Müntefering oder ein Theo Waigel handeln auch im höheren Alter nicht einfach nach der Devise: „Nach mir die Sintflut“. Bei Gauland hat man den Eindruck, als schere ihn dies alles wenig.

Olaf Sundermeyer: Gauland. Die Rache des alten Mannes. Verlag C.H. Beck: München 2018. ISBN 978 3 406 72710 8. 14,95 Euro.

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