Offener Brief an die Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer
Sehr geehrte Frau Bundesvorsitzende,
liebe Frau Kramp-Karrenbauer,
ich wende mich mit diesem offenen Brief an Sie, weil mich der Zustand unserer Partei tief besorgt.
Der Ausgang der Europawahl ist eine einzige Enttäuschung. Es muss der Anspruch der Union sein, als Volkspartei der Mitte für die Bürgerinnen und Bürger wieder greifbarer zu sein. Es geht nicht darum, die Partei mehr nach links, rechts oder in die Mitte zu verrücken. Das sind Scheindebatten. Es geht vielmehr darum, dass die Union auf Bundesebene wieder mit starken Personen für starke programmatische Positionen steht. Leider ist dies zurzeit weitestgehend Fehlanzeige. Auch unsere Ministerinnen und Minister in der Bundesregierung verwalten momentan mehr als dass sie gestalten. Insbesondere aus dem Wirtschaftsministerium müssen stärkere Impulse kommen. Aber auch bei den Themen Umweltschutz und Digitalisierung sind wir nicht tonangebend.
Es war und ist eine billige Ausrede, alle Versäumnisse auf die Kanzlerin zu schieben. Auch ich halte es nicht für glücklich, dass wir nur noch eine Kanzlerin auf Abruf haben, von der jeder weiß, dass ihre politische Zeit in Berlin abläuft und die sich aus der Parteipolitik mehr und mehr heraushält. Nach der Wahl eines neuen Fraktionsvorsitzenden und einer neuen Parteivorsitzenden in Berlin war die Hoffnung da bei unserer Basis, dass Fraktion und Partei wieder eigenständiger werden und inhaltliche Impulse liefern. Doch bisher: Fehlanzeige! Natürlich gibt es einen Koalitionsvertrag und politische Zwänge. Aber das darf Fraktion und Partei doch nicht davon abhalten, Zukunftsvisionen für unser Land zu entwickeln!
Momentan sind wir leider dabei, die Zukunft zu verschlafen. Der Umgang mit Rezo und anderen Yoububern war alles andere als souverän. Hier erwarten unsere Mitglieder mehr Gelassenheit und Professionalität.
Auf folgenden Feldern müssen wir besser werden:
1. Wir müssen Antworten geben auf die Fragen und Forderungen nicht nur der jungen Menschen, die sich eine neue Klimapolitik wünschen.
2. Wir müssen eine Digitalisierungsstrategie für unser Land entwickeln. Wir dürfen nicht nur verwalten und uns auf vergangenen Erfolgen ausruhen, sondern wir müssen die Weichen für die Zukunft stellen.
3. Wir müssen besser und zeitgemäßer kommunizieren, sonst verlieren wir die Jugend. Jahrelang hat die Union mit ruhiger Hand regiert und sich in der Kunst der asymmetrischen Demobilisierung geübt. Auf Deutsch: Wir haben unsere politischen Mitbewerber eingeschläfert und eingelullt. Das verfängt aber nicht mehr. Die Menschen wollen wieder mehr klare Kante und Konzepte.
4. Wir müssen Antworten finden, wie wir die AfD – vor allem im Osten – wieder kleiner kriegen und den Aufstieg der Grünen zu einer neuen Volkspartei stoppen. Und wir müssen schauen, wie wir künftig politisch noch mehrheitsfähig sein werden und gestalten können. Es reicht nicht mehr darauf zu bauen, dass zur Not immer eine Große Koalition möglich ist. Das wird nicht mehr so sein, da sich die Sozialdemokraten im freien Fall befinden.
5. Wir müssen wieder stärker als Partei der sozialen Marktwirtschaft erkennbar sein. Die Stabilität unserer Demokratie und der Zusammenhalt unserer Gesellschaft hängen unmittelbar mit der Sozialen Marktwirtschaft zusammen, die zur DNA der CDU gehört. Steigende Mieten nicht nur in Ballungsräumen und die dauerhafte Niedrigzinspolitik der EZB gefährden diesen Zusammenhalt. Viele Menschen haben Angst vor Altersarmut. Hier müssen wir als Christdemokraten wieder sprachfähig werden und dürfen das Feld nicht denen überlassen, die am liebsten das Geld anderer Leute ausgeben. Und wir müssen Konzepte entwickeln, wie wir die Leistungsträger der Gesellschaft stärker entlasten können. Damit meine ich zum Beispiel die Facharbeiter, die Krankenschwestern, die Polizisten, die Mittelständler etc.
Ich würde mich freuen, wenn Sie uns als Kreisverband der CDU Remscheid Antworten auf die vier Fragen geben könnten. Unsere Mitglieder und Wähler wollen Antworten. In einem Jahr haben wir Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlen in Remscheid. Dann brauchen wir Rückenwind aus Berlin, keinen Gegenwind. Es wird an den Ständen immer schwerer, die Politik der Groko in Berlin noch zu vermitteln. Und unsere Wähler und Mitglieder werden unruhiger. Sie hatten nach dem Parteitag von Hamburg gehofft, dass es nun endlich wieder aufwärts geht mit der Union und wir die Ärmel hochkrempeln.
Eine Weiter so darf nicht die Antwort sein. Konsequenzen müssen gezogen werden. Damit meine ich keine persönlichen Konsequenzen, sondern eine neue inhaltliche Ausrichtung unserer Partei.
Lassen Sie uns über diesen Weg gemeinsam diskutieren. Dazu sollten wir gerade auch die Anregungen der jungen Menschen nutzen und nicht darüber fabulieren, wie Meinungsfreiheit im Internet reguliert werden könnte.
Ich freue mich auf Ihre Antwort auf dieses Schreiben, das wir dann gern in den Gremien des CDU-Kreisverbandes konstruktiv diskutieren würden.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Markus Kötter
Stellvertretender Kreisvorsitzender der CDU Remscheid